Eine Challenge der anderen Art – Runter vom Gas
Da ich sehr viel aus dem Sport fürs Leben lerne und es immer wieder übertragen kann, heute mal ein Sportbericht.
Es ist Ossiloop-Zeit im schönen Land der Ottifanten und Teetrinker. Für alle, die nicht aus Ostfriesland kommen und deshalb eventuell die legendäre andere Art der Völkerwanderung hier im Flachland nicht kennen: Ossiloop bedeutet im Prinzip Ostfriesenlauf (loop = Lauf). In 6 Etappen laufen fast 3000 begeisterte Läufer einmal von Leer (Stadt in Ostfriesland) bis ans Meer (die Nordsee) bzw. andersherum. Dieses Jahr geht es vom Meer nach Leer. Jede Etappe ist 10-12 km lang. Seit letztem Dienstag (24.4) geht der Lauf, heute also in die 2. Etappe. Immer dienstags und freitags, 3 Wochen lang.
Warum man da unbedingt einmal mitgemacht haben sollte? Weil es mal eine andere Art des Sightseeings ist und Ostfriesland so super erkundet werden kann, weil es Spaß macht und man viele nette Leute kennenlernt.
Busseweise werden die Teilnehmer zum Start gebracht und vom Ziel abgeholt. So kommt es auch in Ostfriesland mal zu Staus und so mancher unvorbereiteter Urlauber steckte schon einmal vor Radwegen und Straßen fest, die nun dem bunten Läufervolk gehören.
Warum das Thema in meinem Blog? Ich hatte dieses Jahr eine ganz besondere Challenge bei der ersten Etappe. Meistens ist die Herausforderung: Alles geben und eine gute Zeit laufen. Ich war aber erkältet. Und was soll man da besser nicht tun? Genau, sich anstrengen also mit Vollgas laufen…. Meine Wahl: Gar nicht an den Start oder Schongang. Das tolle Dörlooper-Shirt (Dörlooper = Durchläufer) bekommt man nur wenn man alle Etappen bewältigt hat. Das will ich unbedingt haben. Also war klar: Starten. Da ich meine Gesundheit liebe hieß es aber auch: Nicht auf Zeit, sondern so wie es der Husten es zulässt und so wie es mir gut geht.
Der normale Wahnsinn
Wer von euch schon in einem Wettbewerb mitgelaufen ist weiß wie das ist: Startschuss und … viel zu schnell mit der Masse mit. Auf der Strecke: Jede Überholung zählt. Blick zur Uhr, Pace im Blick, Abgleich mit Körper und wieder schneller an anderen vorbei. Von Etappenziel zu Etappenziel bis zum Limit…. Ziel in Sicht? Reserven aktivieren und das letzte aus einem rausholen. Im Endspurt noch 2,3 Läufer überholen. So laufe ich eigentlich.
Dieses Jahr anders
Nun hieß es: Ab in den vorletzten Startblock, überholen lassen, statt überholen. Blick auf die Uhr, Abgleich mit dem Körper und hinter dem Läufer vor mir einordnen. Runter vom Tempo….. Auch bei Publikum nicht dem Drang nachgeben und schneller werden… Auf den Körper hören. Wasserstation – ignoriere ich bei solchen Strecken gern mal, um Zeit zu sparen. Dieses Mal: hingehen… GEHEN… Mitten im Wettkampf!! Wasser trinken und langsam weiter…. Auf dem letzten Kilometer musste ich meinem Ego ein paar Überholungen gönnen. Der gewohnte Endspurt aus allen letzten Kraftreserven heraus, blieb jedoch aus. DAS war eine wirklich schwere Übung. Aber ich bin stolz es gepackt zu haben.
Fazit
Wir müssen uns in vielen Situationen überlegen was uns wichtig ist und Prioritäten setzen. Auch mal welche, die unserem Naturell vielleicht widersprechen, aber der Vernunft entsprechen. Die darf auch mal siegen. Auch das fühlt sich gut an. Selbst wenn einem davon die Konsequenzen länger nachhängen. Meine Platzierung ist nun niedriger als sonst. Dafür werde ich aber heute wieder laufen und den Ossiloop zu Ende bringen können. Besser als dann doch noch krank zu werden. Hochfahren und Leistung bringen können wir alle super. Wir haben ja das Gefühl, dass man das von uns erwartet. (By the Way: Wer ist „man“?). Runterfahren hingegen fällt uns irre schwer. Dafür gehen wir dann zum Yoga und Co, um es zu neu zu lernen.
Ab uns zu ist eben langsam und bedacht besser als bis zum Limit. Manchmal ist es besser nicht über seine Grenzen hinaus zu gehen und das allerbeste Ziel zu erreichen. Manchmal ist das Ankommen an sich wichtiger als das WIE, als die Punktzahl. Vor allem wenn es um die Gesundheit geht. Vielleicht kennt ihr so etwas ja auch aus anderen Situationen. Wenn ihr mal vor einer solchen Herausforderung steht: Challenge accepted und runter vom Gas. 🙂