3. Oktober 2020

30 Jahre Vereintes Deutschland

Gedanken eines "Wessis"

Ich habe die 2 deutschen Staaten als Kind nie bewusst wahrgenommen. Ich erinnere mich nur, dass wir ab und zu mal etwas „nach drüben“ geschickt haben zu unserer Partnergemeinde. In der DDR war ich nie. Also nicht als sie noch eine solche war. ich war öfter in der Nähe der Grenze. Da ich aber nicht wusste, dass es sie gab, habe ich sie nicht wahrgenommen.
Ignorant? Ungebildet? Blind? Nein, simpel und einfach beim Fall der Mauer 7 Jahre alt. 🙂
Und daran erinnere ich mich tatsächlich. Ich weiß noch wie ich mit meinen Eltern vorm Fernseher saß und wir uns die Bilder der jubelnden Menschenmassen auf der Mauer und an den Grenzübergängen angeschaut haben. Ich merkte, dass das irgendwie besonders war und meine Eltern erklärten mir warum. Laut meiner Mutter war ich empört, dass ich das vorher nicht wusste, dass es „2 Deutschlands“ gibt. Ich fand es nicht gut, dass man. mir das nicht berichtet hatte und ich nun die Chance verpasst hatte das zu erleben.

Tatsächlich geht es mir bis heute so, dass ich es schade finde, dass mir die Bedeutung dieses Ereignissen emotional nie so bewusst werden konnte. Noch mehr ärgerte es mich, dass das Thema DDR und Wiedervereinigung in der Schule (immerhin hatte die Schule bis 2001 eine Chance) nur am Rande bis gar nicht behandelt wurde. Aber mit dem dunkelsten Kapitel der Geschichte musste ich mich ab der 6. Klasse mit „Damals war es Friedrich“ ständig auseinandersetzen.

Ein Klassenkamerad von mir kam aus den neuen Bundesländern, genauer aus der DDR, denn er war mit seinen Eltern kurz vor der Wende geflohen. ER hatte Schüsse hinter sich gehört und kannte das „Knacken“ in der Telefonleitung. Ich hatte also mit Menschen zu tun, deren Leben das alles stark geprägt hat und die junge Zeitzeugen waren (und noch sind). Aber dennoch kam es kaum im Unterricht vor. Ich ergriff die Chance mit einer Freundin ein Referat über das Thema zu halten und verstand endlich die Tragweite dessen was ich da vor Jahren als Kind im TV gesehen hatte.

In die neuen Bundesländer kam ich verhältnismäßig spät, nach Berlin das erste Mal 1996 zur Loveparade 🙂
Inzwischen bin ich sehr oft in Berlin und vor allem beruflich oft im „Osten“(warum eigentlich in Anführungsstrichen?) Deutschlands. Dafür bin ich sehr dankbar. Privat fahre ich auch immer wieder gern dort hin und muss noch 1000 Ecken entdecken. Mir gefällt die Geschichtsträchtigkeit der Orte, die Landschaft und die Menschen. Unterschiede sind tatsächlich (immer noch) sowohl in der Art der Städte (was ich gut finde), als auch häufig im Kopf der Menschen.
Unterschiedlich sind wir alle. Ich bekomme als Norddeutsche im Süden Deutschlands immer wieder einen Kulturschock. Das macht es aber ja auch gerade so spannend – unterschiedliche Regionen, Gepflogenheiten, Dialekte (zugegeben, nicht immer verständlich).
Ich unterhalte mich viel auch über die DDR wenn ich inMenschen treffe, die das alles sehr bewusst erlebt haben. Und ich merke, dass ich mich manchmal gar nicht traue zu fragen „wie es war“, wie sie es heute empfinden, woher die Unterschiede zwischen Ost und West ihrer Meinung nach kommen. Warum? Das sind doch legitime Fragen und aus reinem Interesse einer, die es eben nicht bewusst mitbekommen hat und selbst nicht begreift warum es immer noch so offensichtliche Unterschiede gibt. 
Mit einer Kundin aus Brandenburg habe ich mich darüber einmal unterhalten. Sie kennt die Hemmungen und die Vorurteile, die immer noch bestehen oder erwartet werden. Sie glaubt auch, dass es noch Generationen braucht bis wir uns als 1 fühlen.

Erfahrungen prägen, gewohntes gibt Sicherheit, gemeinsam anders sein Zugehörigkeit
Das einige immer noch mit Vorurteilen seitens der „Wessis“ rechnen hat sicher mit Erfahrung zu tun. Wir unterscheiden ja auch bei Berichten immer wieder in neue und alte Bundesländer, Ost und West-vergleiche werden angestellt. Warum nicht einmal ein Nord- Süd-Vergleich? Ja, strukturell bedingt und geschichtlich bedingt ergab sich diese Trennung. Aber kann man die nicht aufgeben? So machen wir uns Trennung immer wieder bewusst.

Ob das so sein muss wage ich zu bezweifeln.

ich finde es übrigens klasse, dass typische Produkte ihre Beständigkeit behalten und so ein bisschen Geschichte erlebbar wird. Nicht nur in Museen.
Kulinarisch hat jede Region ihre Besonderheiten. Ich bin sehr froh, dass wir seit 30 Jahren nicht mehr getrennt sind, ich diese tolle Gegend als Teil meines Heimatlandes erleben darf und vor allem – so immer an köstliche Eierschecke komme, die mir sonst sicherlich unbekannt wäre 🙂

In diesem Sinne: Einen schönen Tag der Deutschen Einheit! Auf ein Land der Unterschiede und Vielfalt! Und ein Land der leckersten Branche der Welt!!