27. Mai 2021

1,5 Tage SARS-CoV-2 positiv

Das T-Shirt habe ich heute absichtlich angezogen. Die norddeutsche Version eines eigentlich nicht angemessenen Ausdrucks für die Öffentlichkeit. Aber er spiegelt gerade dermaßen meine Stimmung wider, dass ich es heut einmal so aussprechen muss.

Der Schock
Was ist passiert? In dieser immer noch komischen Zeit, gehe ich wöchentlich zum so genannten Bürgertest, um sicherzugehen, dass ich niemanden in Gefahr bringe und zur eigenen Gewissheit. Sie sollen ja sicherer sein als die Selbsttests.
Jedes Mal hatte ich bisher mein negatives Ergebnis und konnte beruhigt in den Tag gehen. Letztes Mal war das anders. Ich öffnete mein Ergebnis mit der Erwartung wie immer „kein Nachweis des SARS CoV 2 Virus“ angekreuzt zu sehen, aber Pustekuchen. Das Kreuz war bei „Nachweis des SARS CoV 2 Virus.“ Statt also wie geplant einzukaufen zurück nach Hause. Bereits auf dem Weg zurück geht mir durch den Kopf: „Ich war heute beim Zahnarzt. Da musst du Bescheid geben. Wen hast du noch gesehen? Wo könntest du dich angesteckt haben? Du hast dich doch immer an alles gehalten, dein Umfeld auch, viele schon geimpft oder ständig getestet….“ Nach all den Fragen zu Hause angekommen erst einmal ein Selbsttest zur Sicherheit… Ergebnis: negativ. Zwar beruhigt das ein wenig, aber der Test in den Testzentren soll ja zuverlässiger sein…. Also heißt es Termin beim Arzt für den PCR-Test machen und alle informieren, denen ich in den letzten Tagen begegnet bin.


Oder erst nach dem bestätigten Ergebnis? Aber wenn es stimmt, wären dann schon wieder 1-2 Tage ins Land gegangen, in denen etwas passieren könnte. Lieber direkt Bescheid geben.
Nachdem das erledigt war, gingen die Gedanken weiter: Wenn es sich bestätigt bedeutet es 14 Tage Quarantäne… Oha, Auto zum TÜV, Umzug, Wohnungsübergabe, Termine bei Kunden… Wie bekommt man das nun wieder organisiert?
Die Corona WarnApp informiert mich, dass ich alle Kontakte informieren soll und einen PCR Test zum Nachweis machen muss. Das Gesundheitsamt werde sich bei mir melden.
Bei meiner Mutter zeigt die WarnApp schon tiefes Rot an. Zum Glück ist sie geimpft und mein Partner immerhin schon mit der ersten Dosis. Schließlich leben wir hier in einem Haus.

Sollen wir uns auch voneinander isolieren? Auch mein Partner sagt bei der Arbeit erst einmal Bescheid und arbeitet im Homeoffice. Wir gehen ein wenig auf Distanz.

Nachdem nun all die organisatorischen Dinge einmal gedacht sind, mich total stressen, da mir in meinem wirren Kopf keine Lösungen einfallen, fokussiere ich mich auf die Arbeit. Versuche es. Einen PCR Test kann ich erst am nächsten Tag machen. Wird schon alles gut werden. Sicher ein Fehler. Mir geht es ja gut. Oder? Ich hatte 2 Tage ziemlich starke Kopfschmerzen. Bei dem ostfriesisch dunklen, dem Mai nicht angemessenen, Mistwetter, aber eher typisch bei mir. Meine Muskeln merke ich auch. Memo an mich: Nicht mehr in den 3. Stock ziehen! Das (der Schmerz) kommt vom Schleppen am Wochenende.

PCR-Test Tag
Am nächsten Tag geht das Gedankenkarussell weiter. PCR Test beim Arzt und warten. Alles ist angespannt. Ich entwickle Ängste: Was, wenn es mir bald nicht mehr so gut geht? Ich bin noch nicht geimpft. Meine Bronchien reagieren gerne auf Erkrankungen. Was, wenn es mir bald richtig schlecht geht? Ich merke, dass mein Körper auf meine Angst reagiert und schaffe es zum Glück mich neu zu fokussieren.
Meine Mutter und ich geraten aneinander. Emotionale Situation, denn Abstand finden wir beide blöd. Sie kann noch klar denken und sieht Lösungen für meine organisatorischen Herausforderungen, die ich nicht sehe. Emotionale Kommunikation, Missverständnisse. Erst einmal Abstand. Dann ein Gespräch. Mit Maske, offener Tür und offenem Fenster, Abstand. Kommunikationscoaching im eigenen Haus. Zum Glück können wir beide das ganz gut. Nach dem gemeinsamen Kaffee und vielleicht auch durch die Kälte vom Lüften sehe ich klarer. Gut, dass Mütter doch immer wieder Lösungen finden, die man selbst nicht sieht.
Mir gelingt es, nicht ständig aufs Handy zu schauen. Das Ergebnis wird wohl erst am nächsten Tag kommen. Also Fokus auf die Arbeit. Und das klappt richtig gut. Ich schaffe viel, werde mit Tee von meinem Partner versorgt und mir geht es auch körperlich wieder gut, da mein Gedankenkarussell endlich Feierabend macht.

Schuldgefühl
Ein Gefühl, das mich die ganze Zeit begleitet hat als ich meine Kontakte informiert habe – Schuld. ICH habe andere in Gefahr gebracht. ICH bin verantwortlich dafür, dass sie sich nun Sorgen machen. ICH wollte doch aber nie „so jemand“ sein. Wieso trifft es mich, die echt vorsichtig und eher übervernünftig als unvernünftig ist und nicht diejenigen, die alles ignorieren und als Verschwörung des Staates abtun? Gerecht ist das nicht.
Auch bei dem Gedanken meinen Kunden absagen zu müssen, kommt das Gefühl der Schuld hoch. Alles wieder umplanen, nur weil ICH mich angesteckt habe. Wo auch immer.
Mein Verstand weiß, dass dieses Schuldgefühl absoluter Blödsinn ist. Dennoch ist es da.
Ich habe sofort informiert. Ich habe also Verantwortung übernommen. Klar, deshalb waren auch andere nun beunruhigt. Das habe ich ihnen „angetan.“ Auch das ist kein gutes Gefühl. Aber Verantwortung fühlt sich nicht immer gut an.

Erleichterung
Heute Morgen kam die ersehnte Mitteilung in der App: „Negativ . Das SARS-CoV-2 Virus wurde bei Ihnen nicht nachgewiesen.“ Erleichterung pur. Erst einmal Mitteilung an alle Kontakte und Freude darüber, dass nun alles wie geplant stattfinden kann. Ich verkneife mir eine Entschuldigung für das fälschliche „Pferde scheu machen“, denn ich musste Bescheid geben und meiner Verantwortung nachkommen. Leid tut es mir, aber es ist nichts, wofür ich mich entschuldigen müsste.
Dann kam auch die E-Mail des Gesundheitsamtes. Gut, sie kümmern sich und ich finde das auch recht fix. Schön zu sehen, dass das funktioniert. Eine Bestätigung meines Ergebnisses durch den Arzt reichte aus, um mich aus der Kategorie „positiv“ zu löschen. Freiheit.

Frage für die Zukunft:
Für meine Reise zum Kunden benötige ich für das Hotel einen negativen Corona-Test… Ein Selbsttest zählt nicht. Also habe ich schon letzte Woche für Montag einen Termin beim Testzentrum gemacht. Ich muss zugeben, dass ich kein gutes Gefühl dabei habe. Was, wenn er wieder „falsch“ ausschlägt? Die Wahrscheinlichkeit ist wohl nicht sehr hoch, aber sicher bin ich mir nun nicht mehr.

Lehre für mich
Ich hätte nicht gedacht, dass so ein Ergebnis in einer terminreichen Zeit so eine heftige Wirkung auf mich und mein Umfeld hat. Ängste kamen, von denen ich dachte ich hätte sie nicht.
Ich werde mich nun für den vermeintlich „gefährlicheren“ Impfstoff auf die Warteliste setzen lassen. Denn dieses Gefühl und diese Angst möchte ich nicht noch einmal haben.
Mein Motto seit gestern: „Klei mi Ann Mors“, ich lasse mich nicht unterkriegen. Auch nicht von der Pandemie und all ihren Umständen!

Achtet aufeinander und genießt es gesund zu sein, statt sich über Einschränkungen zu ärgern.
Wenn diese Pandemie etwas für mich ist, dann unfassbar lehrreich. Diese Lehren nehme ich mit Dankbarkeit an. Obwohl ich mir wirklich weniger Nerventrouble wünschen würde. 😉